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Reise

Caodai: Walt Disney und Drachen in Technicolor


Unweit von Ho-Chi-Minh-City: Ein Tempel wie aus einem Bilderbuch mit Zuckerbäcker-Architektur und einem Kitschfaktor, den nichtmal Hundertwasser überbieten konnte. Allüberall das Auge Gottes, Frauen und Männer in weißen Gewändern und Säulen mit stilisierten Drachen. Wir sind in Tanyin, beim heiligen Stuhl der Caodais – Sitz der immerhin drittgrößte Religionsgemeinschaft von Vietnam.  Und diese besteht aus einer bunt durchgemixten Mischung aus Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus, des Christentums und des Islam. Praktisch, vor allem weil göttliche Botschaften aus dem Universum in versiegelten Briefumschlägen empfangen werden. Oder in Zukunft gar per e-Mail?

Graham Greene beschrieb den Caodaismus in seinem Klassiker „Der stille Amerikaner“ übrigens folgendermaßen:

Mindestens einmal im Jahr feiern die Anhänger Caodais beim heiligen Stuhl in Tanyin, Achtzig Kilometer nordwestlich von Saigon, ein Fest zum soundsovielten Jahr der Befreiung oder der Eroberung oder sogar, um einen buddhistischen, konfuzianischen oder christlichen Festtag zu begehen. Die Religion Caodais war stets das Lieblingskapitel in meinen Kurzeinführungen für auswärtige Besucher gewesen: Der Caodaismus, die Erfindung eines Staatsbeamten aus Cochin, war eine Synthese der drei Religionen: Der heilige Stuhl befand sin in Tanyin. Es gab einen Papst und weibliche Kardinäle. Weissagungen erfolgten mittels Schreibtäfelchen. Es gab einen heiligen Victor Hugo. Christus und Buddha blickten vom Deckengewölbe der Kathedrale herab auf ein Phantasiebild des Ostens im Stil Walt Disneys, auf Drachen und Schlangen in Technicolor. Neuankömmlinge waren von dieser Beschreibung stets entzückt. Wie hätte man ihnen die öde Leere der ganzen Sache erklären können? Die private Armee von fündundzwanzigtausend Mann, bewaffnet mit Mörsern, die aus den Auspufftöpfen alter Kraftwagen hergestellt worden waren, Alliieerte der Franzosen, die sich im Augenblick der Gefahr neutral erklärten?

Von eminenz

Die üste hat die freie Wahl:
Wenn sie ein W wählt bleibt sie kahl
Wenn sie ein K wählt wird sie naß -
Die freie Wahl macht keinen Spaß

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