Im Falter nennt man es „Stille Nacht“ und meint damit die Ausgestorbenheit, die über Wien liegt, die pulsierende Stadt liegt still. Thomas Glavinic hat einen ganzen Roman über das Thema geschrieben: In „Die Arbeit der Nacht“ findet sich die Hauptperson über Nacht plötzlich ganz allein in Wien. Ohne einen einzigen Menschen. Allein in Wien. Wer es noch nicht gelesen hat, es sei hier empfohlen, wenn wir uns auch ein alternatives Ende als dort wünschen,
Ganz so schlimm wie bei Glavinic ist es ja in unserer jetzigen Situation nicht. Auf den Straßen begegnet man noch ab und zu Menschen, auch Autos fahren (man fragt sich wieso eigentlich noch so viele fahren) und im Supermarkt gibt es trotz „Social Distance“-Gebot ab und zu dezente Drängerein. Und in den städtischen Parks sind die Wimmelbilder der Menschen auch jetzt bei Schönwetter so wie vor der Krise – wenn auch mit mehr Bedacht auf Abstand.
Georg Kreislers sang schon in den 60er-Jahren davon, wie schön denn Wien ohne die Wiener wäre:
Wie schön wär mein Wien ohne Wiener –
Wie ein Hauch, der im All balanciert!
Vielleicht gibt’s wo a fesche Angina
Die ein Wohltäter hinexportiert!
Wie schön wäre Wien ohne Wiener –
Nur einmal möcht ich es so sehn!
Und schreite ich sodann
Den Kahlenberg hinan
Und bleib oben voll Sölichkeit stehn
Und seh dann aus der Fearn
Mein liabes leeres Wean
Werd ich sagen: „Sehng’s, jetzt is da schön!“
Nein, nicht eine Angina hat die Wiener aus Wien vertrieben. Es war ein Virus. Und eigentlich sind sie ja auch nicht vertrieben, sondern streunen ziellos in ihren eigenen vier Wänden herum.
Jedenfalls: Das Corona-Virus hat die Stadt verändert. Wien steht still. Die Stadt der Kultur muss ohne Kultur auskommen. Ohne Wirtshaus und Heurigen. Das trifft die Stadt hart und das trifft uns hart. Lasst uns hart dran arbeiten, damit Wien bald wieder aus dem verordneten Dornröschenschlaf erwachen kann.