„Die erste Nachricht kam an einem Sonntag im September.“
Doris Knecht: „Die Nachricht“
Stell dir vor, du bist eine Frau mit Haus am Land. Stell dir vor, dein Mann ist vor einigen Jahren verunglückt. Stell dir vor, du hast dich mit deinen Kindern seither mehr zurückgezogen, aber ein neues Leben aufgebaut. Aber dann kommt eine Nachricht auf Facebook von einer unbekannten Person, die aber sehr viel über dein Leben weiß. Und es kommen immer mehr Nachrichten mit üblen Unterstellungen und Beschimpfungen. Nicht nur du bekommst diese Nachrichten, auch die Kinder, Freunde, Verwandte und Arbeitskollegen.
Ein Teufelskreis, in dem man nicht mehr sicher ist, ob man sich auf neue Menschen einlassen soll, auf welche Menschen man vertrauen kann, in dem man aber umgekehrt von Nahestehenden verdächtigt wird, diese Nachrichten selbst zu verfassen oder Schmerz noch nicht überwunden zu haben.
Denn die Opfer-Täter-Umkehr schlägt schnell und erbarmungslos zu: schnell wird dir unterstellt, dass du dir da etwas einbildet oder provoziert. Ein gesellschaftliches Phänomen, das Doris Knecht im FM4-Interview auch in Erziehungstraditionen sieht. Man erwartet von Frauen „eine gewisse Zurückhaltung, auch teilweise eine gewisse Unterwürfigkeit, und wenn sie das nicht bringen, dann sucht man die Schuld oft bei ihnen, wenn ihnen was zustößt“
Das Thema „Hass im Netz“ und die Belästigungen, denen Frauen oft ausgesetzt sind, ob durch Bedrohungen oder sexuelle Gewaltfantasien von Männern, beschäftigen Doris Knecht schon länger. Die „Bierwirt“-Geschichte hat sie befeuert, diesen Roman zu schreiben.
Doch wie befreit man sich aus so einem Teufelskreis, wie kann man einem Troll das Handwerk legen? Am besten das hervorragend erzählte Buch von Doris Knecht lesen, bei dem man alle Protagonisten nach und nach immer besser kennenlernt. Und dann überrascht ist vom Ende des Buches. Aber dann darüber nachdenkt, dass es wohl vielen Frauen genau so gegangen ist. Und man wachsam sein muss und dagegen ankämpfen muss. Und damit meine ich auch die Männer!